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Adrian Meier Redaktor für Gesundheit
Wattestäbchen gehören zu den kleinen praktischen Alltagshelfern, die in fast jedem Schweizer Haushalt anzutreffen sind. Man nutzt sie täglich und macht sich dabei kaum einen weiteren Gedanken über sie. Dabei haben die Stäbchen eine interessante Geschichte und derzeit wird heftig über ihre Zukunft gestritten.
Inhaltsverzeichnis
Ein Amerikaner hat die Wattenstäbchen erfunden
Der Erfinder Leo Gerstenzang hatte in den 1920ern eine geniale Idee. Er hatte eine Frau beobachtet, wie sie Watte um ein Holzstäbchen wickelte und damit die Ohren ihres Babys reinigte. Die Watte war ihr dabei immer wieder vom Zahnstocher heruntergerutscht. Leo Gerstenzang erkannte sofort das Potenzial dieser Erfindung. Ihm war bewusst, dass er mit diesem praktischen Artikel das ganz grosse Geschäft machen könne. Er dachte darüber nach, wie es wohl möglich wäre, Watte so fest am Holzstäbchen zu befestigen, dass sie nicht mehr rutschen könne.
Gedacht, getan - der Tüftler und Maschinenbauer machte sich prompt ans Werk. Drei Jahre später präsentierte er eine Maschine, die Watte ganz ohne Kleber und weitere Hilfsmittel fest um ein Holzstäbchen wickeln konnte. 1925 brachte er die ersten fertigen Stäbchen unter dem Namen „Baby Gays“ auf den Markt. Der Name kam beim Zielpublikum allerdings nicht an. Gerstenzang suchte nach etwas eingängigerem und kam auf den Zusatz „Q-tips“ als Abkürzung für „Quality-tips“ (zu dt. Qualitäts-Spitzen). Aus den „Q-tips® Baby Gays“ wurde wenig später nur noch „Q-tips®“.
Gerstenzang hatte die ersten Jahre das absolute Monopol auf die Stäbchen. In den USA und anderen englischsprachigen Ländern ist das Wort Q-Tip bis heute gleichbedeutend mit Wattestäbchen. Selbst bei uns in Europa sind die original Q-tips® erhältlich. Sie werden von ein paar wenigen Konzernen in Lizenz gefertigt. Wer dieses Sonderrecht nicht hat, darf zwar auch Wattestäbchen anbieten, sie aber nicht Q-tips® nennen.
Der Erfinder Leo Gerstenzang hat die Wattestäbchen (Q-tips) im Jahr 1925 erfunden.
Ein Produkt im Wandel der Zeit
Die Wattestäbchen haben sich verändert. Anfangs waren die Modelle noch aus stabilem und flexiblem Birkenholz gefertigt und mit echter Watte aus Baumwolle umwickelt. Der Müll war brennbar, kompostierbar – unkompliziert.
Mit den 1970er und 1980er revolutionierte der Kunststoff die Welt. Nicht nur das Stäbchen war plötzlich aus quietschbuntem Plastik, selbst die Watte war nicht mehr echt. Statt hochwertiger Baumwolle steckten sich Menschen nun massenweise Kunststoffwatte in den Gehörgang.
Längst war das Wattestäbchen über seine reine Verwendung als Babypflegeprodukt hinausgewachsen. Die ganze Welt, ob gross oder klein nutzte die Stäbchen zur Ohrpflege und vielen anderen Dingen.
Damen wissen die Dienste der kleinen Stäbchen als Schminkhelfer zu schätzen. Selbst in Werkstätten steht häufig eine Packung Stäbchen. Mit ihnen können schwer zugängliche Winkel von Maschinen gereinigt werden. Und wer hat nicht schon mal Zuhause den heimischen Drucker mit Wattestäbchen geputzt?
Wattestäbchen sind zum Umweltproblem geworden
Im Jahr 2018 beklagte sich der Verband der Abfallverwerter über die zunehmende Anzahl von Plastikkleinteilen im Biomüll. Das Heraussortieren der Plastikteile sei extrem aufwändig und teuer geworden. Neben Wattestäbchen verunreinigen Röhrli, Verpackungsfolien und andere Kunststoffkleinteile zunehmend die Umwelt.
Die EU hat längst beschlossen Einweg-Plastikteile bis 2021 komplett zu verbieten. In der Schweiz begnügt man sich derzeit noch mit Massnahmen zur Vermeidung, statt rigorose Verboten auszusprechen. Müssen wir uns also bald vom Wattestäbchen verabschieden?
Wattestäbchen sind zum Umweltproblem geworden
Öko-Stäbchen und Alternativen
Längst sind findige Hersteller umgestiegen und stellen Stäbchen aus extrem hartem Pappmaterial her. Im Niedrigpreis-Segment bleibt die Watte meistens trotzdem Kunstfaser. Nur sehr wenige Anbieter bieten wirkliche Öko-Stäbchen an, die zu 100 Prozent biologisch abbaubar sind. Allerdings sind auch nur wenige Konsumenten bisher dazu bereit, für die Massenware Wattestäbchen höhere Preise als ein paar Rappen zu bezahlen.
Das will ein Hersteller jetzt ändern. Wie einst Leo Gerstenzang wollen drei dänischer Designer im Zuge der Plastik-Affäre den grossen Coup laden. Sie entwickelten das erste alltagstaugliche Mehrwegstäbchen. Statt aus Watte bestehen die Enden aus weichem medizinischem Silikon. Das Stäbchen selbst ist aus gehärtetem Nylon. Nach der Nutzung werden die Designer-Stäbchen ganz einfach mit Wasser und etwas Seife gereinigt. „LastSwaps“ gibt es in zwei Ausfertigungen, mit Noppen und ohne. Ein Stäbchen soll in seiner Lebensdauer rund 1000 Wattestäbchen ersetzen können. Die Verwendung wird von den Marketingspezialisten mit der einer Zahnbürste verglichen. Allerdings kosten Zahnbürsten keine 11 Franken. Ob sich die kostspieligen Ersatz-Stäbchen durchsetzen können, wird die Zukunft zeigen.
Müssen Wattestäbchen überhaupt sein?
Rund um die praktischen Ohrputzer gab es neben der Plastik-Thematik bereits jede Menge Kritik. Immer wieder kam es zu Unfällen. Entweder steckten sich Menschen die Stäbchen zu tief in die Ohren oder sie brachen ab. Auch aus diesem Grund wurde das Holz irgendwann durch bruchsicheres Plastik ersetzt.
Hals-Nasen-Ohren-Ärzte kritisierten ausserdem, dass Kunstfasern mikroskopisch feine Fasern in den Ohren hinterlassen könnten. Trotz aller Tests zur Sicherheit und Zulassungen sei dies vor allem auf die falsche Nutzung der Stäbchen zurückzuführen. So manch ein Anwender neige zu exzessivem Putzen der Ohren. Andere kritisierten gar, die Stäbchen könnten durch die Stimulation der im Ohr verlaufenden Nervenbahnen eine Art Sucht auslösen.
Auch Menschen, deren Gehör nachlässt, können zunächst einen vermehrten Reinigungsdrang spüren. Sie haben das Gefühl, ein Fremdkörper verstopfe das Ohr. In der Folge bearbeiten Betroffene die Ohren immer häufiger und intensiver mit Stäbchen. In diesen Fällen hilft allerdings nicht der Q-Tip ®, sondern nur der Hörtest beim Ohrenarzt.
Ohrenstäbchen richtig anwenden
Leider liegt den Ohrenstäbchen in den wenigsten Fällen eine Anleitung zur richtigen Nutzung bei. Menschen sind mit den Praktiken zur Ohrreinigung sich selbst und dem eigenen Gespür überlassen. Reinigungsstäbchen müssen gar nicht so weit eingeführt werden, wie die meisten Menschen annehmen. Sie sind eigentlich nur dazu gedacht, den äussersten vorderen Teil der Ohrmuschel und des Eingangs in den Gehörgang zu reinigen.
Wer das Stäbchen tief einführt und den sensiblen Gehörgang wie ein Bergwerk bearbeitet, riskiert sogar Verletzungen des Trommelfells. Bei unsachgemässer Anwendungen kann Ohrenschmalz (auch Cerumen) immer weiter ins Ohr hineingedrückt, statt herausgeputzt werden. Experten empfehlen die Stäbchen nur sachte in den Gehörgang einzuführen, ohne zu drücken oder zu stopfen. Mit leichten kreisenden Bewegungen wird der vordere Gehörgang zum Ausgang hin gereinigt.
Die Reinigung der Ohren vor dem Einsetzen der Hörgeräte
Ohren sind längst nicht so schmutzig oder unhygienisch wie viele Leute meinen. Selbst vor dem Einsetzen von Hörgeräten müssen sie nicht jedes Mal akribisch gereinigt werden. Ohrenschmalz besteht im Grund nur aus Cholesterin und Fetten. Er ist weder giftig noch schädlich.
Im Gegenteil er dient dem Ohr als antibakterielle Reinigungssubstanz. Er wird im Inneren des Ohres durch eine Drüse gebildet. Auf seinem Weg nach aussen befreit die zähe gelbe Substanz das Ohr von Staub, Fremdkörpern und Bakterien. Durch Kieferbewegungen beim Kauen oder Sprechen wandert der Schmalz von ganz alleine an den Ausgang des Gehörganges. Dort kann er dann mit einem Stäbchen oder beim Duschen mit etwas Wasser, einem Waschlappen oder den Fingern entfernt werden.
Funktioniert das Hörgerät nicht mehr richtig, kann sich tatsächlich etwas Schmalz am Ohrpassstück festgesetzt haben. Dann sollte es natürlich gereinigt werden. Bringen dies und der Test der Batterien keine Besserung steht wohl der nächste Hörtest beim Facharzt an.