Klang
Michael Ronner
Michael Ronner Experte für Technik & Hörakustik

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Töne und Klänge sind ständig um uns herum: Morgens hören wir als Erstes das Geräusch des Weckers, die Stimmen der Liebsten, Musik aus dem Radio und den ganzen Tag über die eigene Stimme. Klänge entstehen immer aus Schallwellen und die gehören zu den wichtigsten Sinnesreizen auf dieser Erde.

Doch wie entstehen diese Klänge eigentlich und welche Bedeutung haben sie für uns? Die Spezies Mensch kommuniziert besonders viel mit Schall und Klang. Neben der Sprache haben wir weitere aussergewöhnliche Klang-Fähigkeiten entwickelt. Wir lieben Musik, erzeugen sie, hören zu oder singen selbst. Neben harmonischen Klängen, die dem Ohr schmeicheln, gibt es auch „Missklänge“ (Dissonanz), die weniger gut ankommen. Die Erzeugung von Schallwellen, Tönen und Klang ist eine Disziplin der Physik – die Akustik.

 

So entstehen Schall und Klänge

Kurz könnte man sagen: Klang ist der wahrnehmbare Effekt von Schallwellen. Schall entsteht durch die Bewegung von Luftmolekülen. Werden diese schnell verdrängt, entstehen Wellen, die hörbare Vibrationen erzeugen. Diese Wellen breiten sich aus. Das ist ganz so wie bei Wellen an der Wasseroberfläche, wenn ein Blatt oder ein Steinchen darauf gefallen ist. Wir können Luftmoleküle und Schallwellen nicht sehen, dafür aber hören.

Klang ist der wahrnehmbare Effekt von Schallwellen

Klang ist der wahrnehmbare Effekt von Schallwellen.

 

Der Unterschied zwischen Schallwellen, Tönen, Geräuschen und Klang

In der Akustik sind alle vier Begriffe streng abgegrenzt. In unserer Umgangssprache dagegen können Grenzen fliessend sein. Schallwellen unterscheiden sich, je nachdem wie sie erzeugt wurden. Es können lange Wellenlinien entstehen oder sehr kurze, hohe und niedrige. Die Komposition und Muster der Schallwellen nennt man Frequenzen.

 

Was ist ein Ton?

Schallschwingungen erzeugen einzelne Töne. In der Natur, bei uns Menschen oder auch in der Musik werden immer verschiedene Töne gleichzeitig produziert. Selbst der beste Opernsänger kann physikalisch gesehen keinen reinen Ton erzeugen. Das können nur Maschinen unter bestimmten Voraussetzungen. Hohe und tiefe Töne unterscheiden sich durch die Art der Mechanik, mit der die Verdrängung der Luft erreicht wird. Die Lautstärke (Einheit: Dezibel) wird von der Geschwindigkeit, mit der die Luftmoleküle verdrängt werden, bestimmt.

  • Hohe Töne: Die Wellenlinien liegen eng beieinander.
  • Tiefe Töne: Die Wellenlinien sind weiter auseinander.
  • Leise Töne: Die Wellenlinien sind niedrig.
  • Laute Töne: Die Wellenlinien sind hoch.

Das Innenohr ist ein Gleichgewichtsorgan mit mehreren Bogengängen und einer Gehörschnecke, die auch als Cochlea bezeichnet wird. Durch diese verlaufen Kanäle, welche mit Flüssigkeit gefüllt sind. Hier werden die Schwingungen der Gehörknöchelchenkette auf diese Flüssigkeit übertragen. Dadurch wird eine Wellenbewegung erzeugt, welche die Haarsinneszellen des Cortischen Organs innerhalb des mittleren Kanals der Cochlea reizt. Die Reize führen zu einer Bewegung der feinen Härchen, wodurch die entstehenden Reize die Informationen als elektrische Impulse mittels der Hörnerven zum Gehirn weiterleiten.

Die Impulse fallen auf das Stammhirn, wo auch Warnsignale verarbeitet werden und dafür sorgen, dass der Mensch darauf schnell regieren kann. Alle Impulse werden von beiden Gehirnhälften emotional verarbeitet und im Grosshirn mit den bisherigen akustischen Erfahrungen verglichen. So können alle eingehenden Signale im Grosshirn mit bisherigen Hörerfahrungen verglichen und zugeordnet werden. Ankommende Signale wie Musik oder Sprache werden erst im Gehirn interpretiert und verstanden.

 

Wie entstehen Klänge?

Klänge sind Schallwellen, die aus verschiedenen Tönen bestehen. Innerhalb eines Klanges wiederholen sich Töne in regelmässigen Mustern. Je gleichmässiger die Wellen sind, umso wohlklingender nehmen wir sie wahr.

 

Was sind Geräusche?

In der Physik werden Geräusche von Klängen unterschieden. Die Wellenlinien von Geräuschen sind unregelmässiger bis chaotisch. Sehr konfuse oder stark nach oben und unten abweichende Geräusch-Schallwellen empfindet das menschliche Ohr als unangenehm.

 

Wunderwerk der Klangerzeugung – die menschliche Stimme

Der Mensch kann mit seiner Stimme Schallwellen, regelmässige Klangmuster und Geräusche erzeugen. Menschen sind sogar dazu in Lage, hochkomplexe Klangreihen zu erzeugen. Die Fähigkeit verbal zu kommunizieren, wird als ein Grundpfeiler aller menschlicher Entwicklung angesehen. Unsere Sprachfähigkeit liess komplexe soziale Organisationen und damit eine enorme Weiterentwicklung zu. Obwohl die Sprache und das Hörvermögen des Menschen einzigartig sind, können wir nicht alles. Viele Frequenzen sind für uns weder hörbar noch erzeugbar. Das menschliche Ohr kann Frequenzen (Einheit Hertz) zwischen ungefähr 20 Hz und 20.000 Hz hören. Fledermäuse beispielsweise kommunizieren mit Ultraschall über 20.000 Hz. Elefanten und Nilpferde können neben den für uns hörbaren Lauten auch einen Klang im Infraschallbereich unter 20 Hz erzeugen. Ein Mensch kann keinen separaten Ton erzeugen, weil der gesamte Körper immer mitschwingt (Resonanzkörper). Durch die Stimme werden Organe, das Blut und Muskeln in Bewegung versetzt. Der Körper erzeugt also einen Gesamtklang – unsere individuelle Stimme.

 

Klangerzeugung im Kehlkopf

Wir erzeugen unsere Stimme durch ein komplexes Zusammenspiel aus Absicht, Atmung, Muskulatur und den Vibrationen der Stimmlippen. Die Stimmbänder sind ein kleiner Teil der Stimmlippen. Diese sitzen fast waagerecht und vom Kehlkopf umgeben in der Luftröhre. Im normalen Zustand sind die Stimmlippen entspannt und lassen die Atemluft frei passieren. Bei der Klangerzeugung werden die Stimmlippen rhythmisch angespannt und wieder losgelassen. So wird der durchfliessende Strom der Atemluft bewegt und geteilt. Durch diese Bewegungen entstehen Schallwellen, Töne und schliesslich der Klang der Stimme. Um die Stimmlippen bewegen zu können, brauchen wir viele Muskeln.

Gesang ist ein Zusammenspiel aus Absicht, Atmung, Muskulatur und den Vibrationen der Stimmlippen.

Gesang ist ein Zusammenspiel aus Absicht, Atmung, Muskulatur und den Vibrationen der Stimmlippen.

Einige der wichtigsten Atem- und Stimmmuskeln liegen im Bauchraum und im Beckenboden. Wer richtig laut schreien möchte, muss den Beckenboden und das Zwerchfell anspannen können. Leisere Klänge erzeugen wir mit der Hals oder Brustmuskulatur.

 

Klangerzeugung mit Musikinstrumenten

Genauso wie bei der menschlichen Stimme auch produzieren Musikinstrumente Klänge und keine reinen Töne. Die musikalische Tonleiter ist also vielmehr eine Klangleiter. Selbst wenn nur eine Taste eines Klaviers und damit ein Ton angeschlagen wird, erklingt ein Klang aus mehreren einzelnen Tönen. Beim Klavier wird der Ton über Saiten erzeugt. Durch Druck auf die Taste wird die Saite in Schwingung versetzt. Es ist ein weiteres physikalisches Gesetz, dass Schwingung „ansteckend“ ist. Im Klavier schwingt nicht nur die angeschlagene Saite.

Musikinstrumente produzieren Klänge und keine reinen Töne

Musikinstrumente produzieren Klänge und keine reinen Töne.

Auch benachbarte Saiten und der Holzkorpus des Instruments werden in leichte Vibrationen versetzt. So hat jedes Klavier seinen eigenen Klang. Die Holzart und die Form der Instrumente haben einen Einfluss auf den Gesamtklang (Helmholz-Resonator). Ganz ähnlich funktionieren andere Saiteninstrumente wie Geigen, Gitarren, Kontrabässe oder Harfen. Bei Blasinstrumenten wird der Klang durch das Pusten der Luft durch Röhren erzeugt. Die Spieler variieren den Luftstrom, gleichzeitig öffnen und schliessen sie Löcher und Klappen. Dadurch kommen Schallwellen zustande. Auch hier haben das Material (Holzflöte, Blechhörner) und die Form einen Einfluss auf den Klang des Instrumentes. Schlaginstrumente wie Trommeln oder Schlagzeuge erzeugen Klang über Vibration. Mit Schlagtechniken werden Holzkorpusse, gespannte Stoffe, Kunststoff, Häute oder Metallscheiben in Bewegung versetzt.

 

Angenehme Klänge und unangenehme Klänge

Überlagern sich Schallwellen und Klänge in besonderen Anordnungen, entstehen Harmonien. Als harmonisch empfinden wir Klänge, die von wenigen Grundtönen ausgehen. Diese Töne wiederholen sich in gleichmässigen und leicht abgewandelten Wellenmustern. Geht ein Klang von mehreren Grundtönen aus, entstehen hochkomplexe Muster. Unser Gehör kann sich mit solchen Klang-Kauderwelsch-Wellen schnell überfordert fühlen und hört dann einfach weg. Natürlich setzen auch Vibrationen von Ausserhalb unseren Körper in Schwingung. Durch harmonische Schwingungsmuster werden wir fröhlich, ruhig oder liebevoll gestimmt. Misstöne und Klänge dagegen können uns ganz schön aus der Fassung bringen.

 

Nicht jeder interpretiert Klänge auf die gleiche Weise

Rein physikalisch betrachtet sind Klänge regelmässiger und damit harmonischer als die meisten Geräusche. Grundsätzlich müssten wir Klänge also vorziehen. Nun sind wir Menschen aber keine Maschinen, die nach streng physikalischen Vorgaben leben. Zum reinen Hörvermögen kommt die persönliche emotionale Interpretierung dazu. Unser Empfinden spielt eine grosse Rolle dabei, ob wir ein Geräusch, Lärm, Klang oder Missklänge hören. Bestes Beispiel dafür ist die Musik: Für einen Fan von Heavy Metall Musik sind diese Töne und Klänge angenehm. Dieses Empfinden teilen aber nicht alle. Obwohl klassische Musik harmonisch ist, fühlen sich manche Menschen von ihr auditiv überfordert. Ganz ähnlich verhält es sich mit Geräuschen. Durch positive emotionale Verknüpfungen können sie wahre Wohlklänge für unser Ohr sein. Dreht der Liebste oder die Liebste abends den Schlüssel im Schlüsselloch herum, kann das wie Musik in den Ohren klingen, obwohl es sich um ein ganz banales Alltagsgeräusch handelt. Klangempfinden macht also einen grossen Teil unserer Persönlichkeit aus. Nur schenken wir den Klängen im Alltag manchmal viel zu wenig bewusste Aufmerksamkeit. Es kann sich lohnen, mal wieder richtig hinzuhören und die Welt mit „neuen Ohren“ wahrzunehmen.